„Pack die Notenhefte ein, nimm ein kleines Köfferlein
und dann nischt wie raus zum Chiemsee…“


 … so müsste es wohl für die Spitaler Chor- und Orchestergemeinschaft in Anlehnung an den Originaltext heißen. Doch besagtes Gewässer passierten wir nur im Vorbeifahren. Unser Ziel sollte Bozen in Südtirol sein. Die dazu nötigen Chor- und Orchestermitglieder wurden auf der Strecke bis nach Salzburg (!) eingesammelt. Nach einigen Stunden Fahrt gab es Mittagsessen, doch bald schon ging es weiter, denn es hieß, noch etliche Hunderte von Kilometern zurückzulegen, bis wir uns schließlich auf Südtiroler Boden befanden. 

jauffenpassDazwischen lagen der Brennerpass und etliche Autobahnkilometer. Neben einem Zweirad-Rennen mit recht skurril verkleideten, sich die Steigungen hinauf plagenden Menschen und dementsprechendem Unterhaltungswert für uns Busfahrer, sorgte die atemberaubende Landschaft, die sich uns beim Überqueren des Jaufenpasses offenbarte, für spannende Eindrücke. Nach –zig Kilometern schmaler, kurvenreicher Straßenführung waren wir über den schließlich auf einer Aussichtsstelle eingelegten Stopp ganz froh (die Schlange an Mopedfahrern, die ewig die Abgase unseres Busses inhalieren mussten, wahrscheinlich auch). Das Panorama der dortigen Berge mit der Tiefenwirkung war auf jeden Fall auch ohne 3D-Brille ein wirkliches Erlebnis.

Sandwirt MuseumIm Andreas Hofer – Geburtshaus in St. Leonhard versuchten wir im dort untergebrachten, grandiosen Heldenmuseum die vielen, oft widersprüchlichen Facetten des „Heldentums“ zu begreifen. Ein Thema, über das es sich lohnt, intensiver nachzudenken. Nachdem der ärgste Durst im zunehmend stickiger werdenden Bus mit kühlen Getränken gelöscht war, widmeten sich einige der anwesenden Lehrkräfte beherzt der Bekämpfung des Wissensdurstes – auf dem straffen Stundenplan standen Geografie, Geologie, Obst- und Weinbau sowie Geschichte. Nein - der Bildungsauftrag kam sicher nicht zu kurz - wen wundert es, bei dem derart frappierend hohen Lehreranteil im Chor… Doch um die Lockerheit des Bildungsangebotes in diesem Kontext zu betonen, wurde das obligate Einläuten der Bildungseinheiten mit immanentem Prüfungscharakter durch launige, teils musikalische Ankündigungen des Chorleiters ersetzt und auf Mitarbeitsnoten verzichtet. Das ständige Schwätzen in den hinteren Busreihen diente aber ganz entgegen dem Anschein ebenfalls der Wissenserweiterung. In manchen Kreisen unverzichtbare Begriffe, wie z.B. „Bierfräsen“, wurden hier mit größtem Eifer sehr handlungsorientiert und anschaulich mit Inhalt gefüllt, während Inhalte geleert wurden.

Dom BozenSo ging es also, dankenswerterweise mit dem nötigen Hintergrundwissen ausgestattet und mit dadurch geschärftem Blick für Details und Zusammenhänge durch die elegante Stadt Meran, das Eisacktal mit seinen beeindruckenden Obstkulturen - und schließlich weiter in Richtung Bozen. 
Die abendlichen Regengüsse und Windböen kurz vor und in Bozen taten der brillanten Laune der Reisenden keinen Abbruch - nach dem Beziehen der Zimmer war der Spuk ohnehin vorbei und somit eine Durchsetzung des Bozener Innenstadtgebietes mit Chorleuten die logische Folge daraus. Der Himmel war gnädig und ließ uns das anschließende Abendessen trockenen Hauptes im Gastgarten des Bräuhauses einnehmen, wo herrlich getafelt und mit diversen Flüssigkeiten angestoßen wurde. Auch hier wurde wieder einmal deutlich, dass man fürs Leben, nicht für die Schule lernt, als es z.B. darum ging, wie viele Seidel Bier in einer Sektflasche Bier Platz haben, was erschreckende Bildungslücken der wohl stets abstinenten und daher völlig unerfahrenen Jugend offenbarte. Hernach schwemmte der Regen einzelne Gruppen in verschiedenste Lokalitäten, wo man sich – durch die äußeren Umstände gewaltsam erzwungen - weiter dem „nassen Element“ widmen musste, bis ein Heimschlendern durch die milde Nacht wieder möglich war...

Chor Probe SonntagWie es sich aber für einen ordentlichen Chor gehört, waren die nächtlichen Exzesse bei der frühmorgendlich angesetzten Generalprobe Geschichte. Denn, wenn gleich der allererste Einsatz präzise und lautstark wie eine Granate einschlägt, dann spricht das für die Professionalität von Chor und Orchester, aber natürlich auch für das strenge, aber dennoch immer umsichtige Regiment unseres Dirigenten Otto Sulzer. Selbst Tobias Chizzali, Bozener Domkapellmeister und Organist, riss es fast von seinem Stuhl, als ihn die Wucht dieses kollektiven sounds wohl etwas unerwartet traf! Waren es vielleicht David Bowies Worte („...We can be heroes…“), die uns vom Heldenmuseum am Vortag noch im Gedächtnis hängen geblieben waren und zu einer derartigen Höchstleistung beflügelt haben? – Wer weiß.

il direttoreMozarts „Messe in B“ (KV 275), Händels „Halleluia“ aus dem Orgelsolokonzert, op. 4, No. 4 und Schuberts „Geist der Wahrheit“ wurden von den Kirchenbesuchern mit größter Hochachtung und viel Wohlgefallen akklamiert. So professionell leicht und voller Klangintensität war diese Messe gestaltet, dass es spontanen, begeisterten Applaus im beinahe subtropischen Klima des Dominneren gab.

Ein paar Stunden um die Mittagszeit standen den Chor- und Orchesterleuten zur eigenen Verfügung – endlich flanieren im sonnendurchfluteten Stadtgebiet und köstlich zu Mittag essen draußen bei Tageslicht! Herrlich! Einige Chorleute zogen es vor, diese Urlaubsstimmung noch um ein paar Tage zu verlängern und seilten sich in noch wärmere Gefilde ab, doch die meisten machten sich am Nachmittag wieder auf die Heimreise.
Der Rosengarten und die Geislerspitzen schoben sich kulissenartig bei glasklarem Wetter in unser Blickfeld, eine perfekte Selbstinszenierung, könnte man meinen, beinahe unwirklich schön, genauso wie zahlreiche weitere Natur- und Kulturschätze auf der Route. Zwar regnete es daheim wieder, doch die Sonne trägt man schließlich ohnehin im Herzen, besonders nach zwei so fantastischen Tagen in der Gemeinschaft mit so vielen Gleichgesinnten!

Karin Matzer